Sinnlich reisen: Strandmatte oder Schreibtischunterlage?

Eine Stadt, ein Land muss gesehen, erhört, erschnuppert, erschmeckt und vor allem gefühlt werden. Die begrenzten Wochenend- und Urlaubstage erlauben dann besonders bei Kurztrips oft nur effiziente Agenda-Abarbeitung. Das Gefühl, dass am Ende bleibt:  eine viel-zu-schnell-vorbei-Anstrengung.

 

Postpic
Mein Reiseführer war auch schon mal mit Post-its versehen, inkl. Ausdrucken mit besonderen Geheimtipps. Immer die Illusion vom individuellem Reisen. Nach diversen Städtetripps stellte sich langsam das Gefühl ein, dass für mich ein strikter Plan und Urlaubszeit genauso gut zusammenpassen wie eine Strandmatte und eine Schreibtischunterlage. Meine Weltreise war der Zeitpunkt, an dem ich meinen Reiseführer verschenkte und mich auf meine Sinne verließ. So befreiend, so entspannt.

 

Meine erste führerlose Erfahrung war in Argentinien. In den Städten Südamerikas gibt es zum Glück sowas wie ein Kolosseum, La Sagrada Família oder das Louvre nicht, da ist der must-see Druck schon mal insgesamt kleiner. In Buenos Aires z. B. bin ich tagelang planlos durch die Stadt gelustwandelt und habe meine Umgebung sinnlich erfasst. Ich hatte auf einmal Zeit und Muße, bin mit den Menschen ins Gespräch gekommen. Wer kann einem schon besser das Was, Wie und Wo einer Stadt aufzeigen als die Einwohner selbst?  Buenos Aires hat mir durch die Citytour mit meinem crazy Hostelbesitzer und seinen Geschichten aus seiner Jugendgang-Vergangenheit und großer Liebe, die ihm vor einer Gangsterkarriere bewahrt hat, mehr Einblick in die städtische Seele gewährt als jede Reise Know-How-Kulturschock-Lektüre (wobei diese Kulturführer sonst sehr zu empfehlen sind). Durch meine Ungebundenheit bin ich zu außergewöhnlichen Gelegenheiten gekommen – ob ein Konzert mit einer 80jährigen Jamaica-Ska-Lady oder der most sexiest Karnevalparty mit den fettesten Beates ever, ever. Sowas ergibt sich, kann nicht geplant werden und geschieht wenn man offen ist, mit Blick und Herzen.

 

FullSizeRender

FullSizeRender (1)

 

Lasst es passieren, Leinen los und sinnlich reisen. Erleben, statt erstreben. Sich treiben lassen. Locals fragen und mit seiner Umgebung kommunizieren, sich austauschen. Überraschungen erleben. Klar, in gewissen Städten müssen einfach einfach gewisse Sehenswürdigkeiten sein, aber dahin findet man mit Sicherheit ganz allein. So ein Reiseführergestöber ist für die Vorfreude und das Nachwirkenlassen schon toll. Nur beim tatsächlichen Reisen wiegt er nicht nur in der Handtasche schwer, sondern liegt oft auch als 180-Seiten To-Do-Liste schwer auf dem Gemüt.

 

 

Raus aus dem Gestöber, rein in das Gestöber

 

“For my part, I travel not to go anywhere, but to go. I travel for travel’s sake. The great affair is to move.”

Robert Louis Stevenson

 

Follow my blog with Bloglovin

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *