Ein Wahnsinn – Indien…!

Aus dem Reisetagebuch: “Alles ist wirklich so bunt und chaotisch, wie ich es mir vorgestellt habe.”

Meine erste Rucksackreise auf eigene Faust habe ich 2008 nach Indien unternommen. Vier Wochen wollte ich ganz easy in Goa am Strand faulenzen, Vollmond-Partys feiern und auf dem berühmten Hippie-Flohmarkt in Anjuna Nepalstrickwaren und bunte Patchworkdecken shoppen –  so hatte ich mir das vorgestellt. Am Ende war das entspannte Hippie-Leben aber nur ein sehr kleiner Teil meiner tatsächlichen Reise.

Indien ist berauschend, intensiv und sinnlich, eigentlich alles ganz nach meinem Geschmack, doch man muss einiges aushalten können. Überall prasseln gegensätzliche Eindrücke auf einen ein. Alle Sinne sind gefordert:

Sehen: herrlich leuchten die bunten Farben der Saris – bunt ist irgendwie überall, aber schwer sind Armut und Dreck anzusehen.  

Riechen: es duftet der Jasmin, der in die Zöpfe der Frauen eingeflochten ist, aber schneidend stinkt der brennende Müll in den Straßen.

Hören: selbst in den kleinsten Dörfern schallt fröhliche Tempelmusik aus Lautsprechern, aber das Geschreie der Krähen am Morgen und das Gekläffe der Hunderudel in der Nacht kann einen um den Schlaf bringen.

Schmecken: lecker sind die geschmackvollsten Currys und die vielfältigsten Veggie-Gerichte der Welt, aber von den Abgasen liegt einem der Ruß auf der Zunge.

Die Entscheidung ist oft radikal, entweder man liebt oder man hasst Indien. I love(d) it!

 

In meinen vier Wochen habe ich gerade einmal drei Tage am Strand verbracht, die restlichen bin ich beinahe durch den gesamten Süden gereist und habe dabei jedes indische Verkehrsmittel genutzt.  Der Inlandsflug mit KingFisher war deluxe und spart einem unglaublich viel Zeit, denn in Indien braucht man ansonsten sehr viel Geduld, Vertrauen und mentale Stärke auf dem Weg zum Ziel. Beim Busfahren kommt man ohne diese Eigenschaften nicht gesund ans Ziel, denn die Fahrten mit einfachen Überlandbussen sind unbequem, halsbrecherisch und endlos. Für eine Fahrt von Panaji (Goa) nach Hospet (Karnataka), ca. 350 km, habe ich über neun Stunden gebraucht. Auch das Ankommen habe ich mir nicht wirklich leicht gemacht, da ich mir nach Ankunft immer erst noch irgendwo eine Unterkunft raussuchen musste. Internetaffinität und Individualreiseplanung war bei mir zu der Zeit noch nicht ausgeprägt – ich hatte weder ein Handy, noch eine Uhr dabei. Die Hostels oder Homestays in denen ich zu Gast war, waren zum größten Teil sehr, sehr basic mit wenigen positiven Überraschungen, aber ich wollte und musste es ja low-budget haben. Vom rosa Ashram-Wolkenkratzer bis zur schrammeligen Strandhütte war alles dabei.

 

 

Die Menschen in Indien könnten nicht vielfältiger sein und so waren auch meine Eindrücke von ihnen. Ich hatte tendenziell mehr persönlichen Kontakt mit Frauen, denn die Männer habe ich weitesgehend von mir ferngehalten, zumindest im öffentlichen Raum. Die indischen Frauen sind wunderschön mit ihren dicken  kokosnussölglänzenden Haaren, die bis an die Hüften reichen und ihren märchenhaften Saris – jede Frau wird durch das traditionelle Gewand zu einer Prinzessin. Zum Thema Frauen, ein kleiner Auszug aus meinem Reisetagebuch: “Die Tochter (16) meiner Homestay-Gasteltern geht noch zur Schule und wird bald studieren. Nach dem Studium möchte sie im Ausland arbeiten, aber ihre Mutter erlaubt das nicht. Den Grund dafür ist, dass es danach schwer wäre, sie zu verheiraten, denn Männer und ihre Familien würden so einen Auslandsaufenthalt missbilligen und nicht verheiratet zu sein, ist ein großes soziales Problem. Die Tochter repräsentiert, wie schwer die Situation für gut ausgebildete Mädchen ist, sich zwischen Familen und Träumen zu entscheiden.” Als alleinreisende Frau war ich schon ein seltsames Subjekt und für meine indischen Mitmenschen eigentlich gar nicht einzuordnen. Wichtig ist, dass einem das bewusst ist und man sich entsprechend anpasst und ganz besonders in Bezug auf Männer. Kumpelhafte Freundlichkeit und Ungezwungenheit geht einfach in den allermeisten Fällen nicht. Insgesamt sind die Inder sehr neugierig und distanzlos, dass gilt noch mal mehr für die Kinder und so bin ich immer leicht in Kontakt mit meinen Mitmenschen gekommen, habe tolle Geschichten gehört und viel Hilfsbereitschaft erfahren. Auszug dazu aus dem Reisetagebuch: “Als ich meinem Zimmer war und mir die Füße waschen wollte, ist der Wasserhahn abgebrochen und ein großer Wasserstrahl kam mir entgegen. Erst habe ich noch versucht, dass Problem selbst zu lösen, ohne Erfolg. Ich rief daraufhin Sagar, der versuchte den Wasserfluss mit einer Plastiktüte zu stoppen. Half aber auch nur extrem bedingt und so kam noch der Inhaber der Hostel hinzu und was brachte er mit!? Zwei Karotten! Die eine steckte er in die Leitung und die andere ließ er mir da, falls die andere wieder rausflutschen sollte! Großartig, lustig und irgendwie sehr pragmatisch diese unkonventionelle Lösung!”

Indien hat mir so viele besondere Erfahrungen und Erlebnisse geschenkt und ich bin an so vielen faszinierenden Orten gelandet und an einige davon nehme ich Euch jetzt mit:

  • Einen der faszinierensten Orte meines Travellerlebens habe ich in Hampi besucht. Hampi ist ein riesiges, fast touristenfreies Ruinenfeld einer alten Königsstadt in einzigartiger Natur. Das letze große Hindu-Königreich “Vijayanagar” liegt einem dort zu Füßen. Die Umgebung wirkt fast so, als hätten in Urzeiten Riesen mit Steinen gespielt. Über tausende Hektar verteilen sich Paläste, Tempel, Bäder in einzigartiger Hindu-Architektur.  1 Klick, mehr Info
    • Ein merkbar begeisteter Auszug aus meinem Reisetagebuch: “Die letzten beiden Tage habe ich so viele spektakuläre archäologische Stätten gesehen, wie noch nie in meinem Leben. All das wird noch durch diese unglaublich wunderbar-bizarre Landschaft verstärkt.”
  • Eines meiner seltsamesten Erlebnisse war der Aufenthalt im Ashram von Amma in Kerala. Amma ist eine Guru-Frau, die durch die ganze Welt reist und Menschen umarmt, Liebe schenkt und wohltätig ist. Ihren Ashram (klosterähnliches Meditationszentrum), der sich in Form pinker Wolkenkratzer aus den Backwaters, ein Wasserstraßennetz in Kerala, erhebt, erreicht man am besten per Boot. Mitten im Nirgendwo bilden diese pinken Hochhäuser eine Welt für sich. Jeder kann dort für ein paar Tage oder auch für mehrere Jahre sein. Gegen einen kleinen Betrag habe ich ein karges Zimmer bekommen und mich zum Frühstücksdienst einteilen lassen, denn ohne Aufgabe bleibt keiner. Ich habe Mediationen im Tempel mitgemacht und mich mit den Menschen dort ausgetauscht und diese ganze Szenerie auf mich wirken lassen. Eine Ashram-Erfahrung gehört auf einer Happy-Hippie-Holistic-Indienreise einfach dazu. 1 Klick, mehr Info
    • Morgentlicher Tagebuch-Eintrag: “…Nach den frühmorgentlichen Gesängen im Tempel kann man den Strand zur Mediation aufsuchen, so auch ich. Meditation ist einfach nichts zu denken, also habe ich ‘ne Runde geschlafen. Gleich helfe ich das Frühstück servieren, denn ohne Freiwilligendienst funktioniert der Ashram nicht. Alles wird hier von Freiwilligen betrieben und geleitet.”

  • Ein magischer Punkt in Indien ist der südlichsten Zipfel des Landes Kanyakumari oder Cape Comorin genannt. Da wollte ich unbedingt hin, ganz ans Ende, einmal antippen. Touristen trifft man hier wenig, dafür mehr Pilger, die ein Bad im heiligen Wasser nehmen wollen. Am letzten Ende vom indischen Festland laufen nämlich drei Meere zusammen: der Golf von Bengalen, das Arabische Meer und der Indische Ozean. An lauen Vollmondabenden lassen sich Sonnenuntergang und Mondaufgang gleichzeitig am Horizont beobachten. 1 Klick, mehr Info
    • Tagebucheintrag zum Grund meines Besuchs in Kanyakumari: “Auf der Dachterrasse meiner Unterkunft stand ich ca. mit drei Dutzend Indern und zahllosen weiteren auf den umliegenden Dachterrassen und starrte in den Himmel, beschallt von einem über Lautsprecher übertragenen “Gottesdienst” und harrte der Dinge, die da kamen: ein Sonnenaufgang über Indiens südlichstem Zipfel, wo sich ein Ozean und zwei Meere treffen.”

 

 

  • Der entspannteste Ort meiner Reise war Palolem in Goa. Die letzten Tage wollte ich einfach nur Chillout, Füße in den Sand stecken und zur Ruhe kommen. Palolem ist ein sehr beliebter Touri-Strand in Goa und hier gibt es von der Ayurveda-Massage bis zum Mango-Lassi in bunter Beachlounge alles, was das Leben süß und saftig macht. 1 Klick, mehr Info
    • Glückseliger Tagebucheintrag: “Nach einem Kokos-Pfannkuchen-Frühstück, bin ich, meinen prall gefüllten Bauch vor mir herschiebend, am Strand langelaufen und habe mir das warme Wasser um die Füße spülen lassen. Palolem bietet mir den schönsten Strand, den ich bisher erlebt habe: Kokospalmen im Hintergrund, bunte Holzboote und ein paar lazy cows im Sand und dann das seichte, warme Meer… In Palolem ist es wirklich lauschig, gerade der richtige Fleck, um die Reise ausklingen zu lassen.”

 

 

  • Der Grund, der mich überhaupt nach Indien gelockt hat, war das verheißungsvolle Hippie-Life in Goa und als Pilgerstätte für mich der Hippiemarkt in Anjuna. 1 Klick, mehr Info
    • Berauschter Tagebucheintrag: “Ich war so früh auf dem Markt, dass noch nicht alle ihre Stände aufgebaut hatten. Das war mein Vorteil. So konnte ich ohne in all zu große Bedrängnis zu geraten (“Come and see my shop! Very Cheap!”) in Ruhe durch die Reihen ziehen. Ich habe natürlich das Ein oder Andere gekauft. Dieser Markt besticht aber durch seine Gesamtheit – zwischen Palmen liegend erstrecken sich die Stände bis zum Meer und die Verkäufer kommen aus allen Teilen Indiens und aus Nepal. Selbstverständlich gibt es auch waschechte Hippies, die Ihre selbstgeklöppelten Waren zum Kauf anbieten. Ich hätte wie eine Wahnsinnige loskaufen können, musste mich aber leider zusammenreißen. Dennoch, bunt-glitzernde Patchworkdecken, kleine Staturen und eine Nepaljacke haben es in meinen Besitzt geschafft und ich habe sogar alles, bis auf die Wolljacke, noch in meinen Rucksack stopfen können.”

 

 

Der Hippie-Aspekt hat den Oscar für die beste Nebenrolle verdient: es war bunt, entspannt und freaky. Die Hauptrolle hat für mich aber das Reisen gespielt, dass in der Intensität überhaupt nicht geplant war und mich so fasziniert hat, dass es mich immer weitergetrieben hat. Das Rucksackreisen auf eigene Faust hat mich nie wieder losgelassen und ist für mich auch heute noch die schönste Art die Welt zu entdecken.

Am Flughafen in Bombay hat mich eine Inderin gefragt, was ich am meisten an ihrem Land schätze. Die Vielfalt ist es! Dieses Land ist so intensiv und die Reise war weder seicht, noch leicht dafür aber sehr, sehr lehrreich! India ist einfach wunderbar!

 

 

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