Der große Moment

Das Leben ist manchmal so unbarmherzig und mischt sich gnadenlos in unsere Pläne und Vorhaben ein. Erwartungsschwanger wollen wir den großen Moment gebären, von der Hochzeit, zur Traumreise, über die Riesensommerüberraschung für die Kinder oder die schillernde Silvesterparty mit der Freundin. Dirigieren lässt sich aber nur ein Orchester, doch das Leben spielt seine eigene Musik: und so spricht der indische Priester so schlecht Deutsch, dass Du Deine eigene Trauzeremonie nicht verstehst, kommst Du gar nicht erst ins Flugzeug nach Amerika, weil Du keinen maschinenlesbaren Reisepass hast, die Sommerüberraschung mit den Wasserpistolen bringt Deine Tochter zum Weinen (das Lego-Krankenhaus hätte es sein sollen) und Deine Jungs haben die Wasserpistolen mit Seifenwasser geladen und zielsicher in die Elternaugen getroffen und beim 2000er Jahreswechsel verpasst Du das Feuerwerk aus Sicherheitsgründen und der Abend endet in einer Tränengaswolke.

 

Die Sturzgeburt in die Realität.

 

In Israel am Jordan, werden meine Freundin und ich Zeugen, wie sich die Realität erbarmungslos in den großen Moment einer amerikanischen Reisegruppe einmischt. Alle wollen sie standesgemäß im Jordan getauft werden, dafür sind sie nicht nur tausende Kilometer weit angereist, sondern haben auch gleich den eigenen Priester mitgebracht. Da sitzen sie in Reih’ und Glied und wir fragen uns, was da wohl gerade in deren Köpfen vorgeht, denn Besinnlichkeit mag bei diesem Taufprozess einfach nicht aufkommen. “Brother John, do it quickly” heizt die Reiseleiterin den Priester an, der daraufhin wie am Fließband seine Täuflinge unter Wasser duckert. Ehe der Frischgetaufte wieder zur Besinnung kommt, verschwindet schon der nächste aus der Reisegruppe im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes rücklings im Jordan.

 

 

Die innere Einstellung eines jeden in dieser Gruppe wird darüber entscheiden, wer dennoch ein spirituelles Erlebnis hatte. Emotionale Flexibilität hilft. Nieder mit dem Widerstand, durchatmen und die Situation annehmen und postitiv umdenken. Sei großzügig und mach’ das Ungeplante, Nervige und Störende einfach zum Teil der Erfahrung. Manchmal hilft aber auch nur durchhalten und das Wissen, dass die kleine “Katastrophe” mit Sicherheit am Ende des Tages eine gute Geschichte abgibt.

 

Keine Erwartungen zu haben, geht nicht. Irgendwas musst Du Dir schließlich vorstellen dürfen und Vorfreude gehört zur Lebensfreude wie Maracuja in einen Sommercocktail. Wenn dann aber der große Moment kommt, an dem alles Wirklichkeit werden soll, dann lass’ die Wirklichkeit auch sein.

 

PS: Du hast bestimmt auch viele Stories auf Lager, wo etwas nicht so gelaufen ist, wie es geplant oder erträumt war und es jetzt einfach nur noch eine gute Geschichte und ein Lacher ist…? Schreibe Deine Sturzgeburt in die Realität in die Kommentare 🙂

 

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