Auf Grund gelaufen

Bei manchen Tagen bin ich nicht traurig darüber, dass sie vorbei gehen. Für den heutigen Tag gilt das ganz besonders. Der Morgen war schon angespannt und diese Anspannung ist auch bis zum Tagesende nicht gewichen. Die Situation hier in unserem Womo ist nicht gerade einfach zu ertragen, dazu lasse ich mich aber an anderer Stelle noch mal ausführlicher aus. Gerade humpelt Antonio an mir vorbei, er kann sich kaum bewegen und an seiner Hand sind zwei Finger taub bzw. bewegungsbeinträchtigt. Der Trip heute war extrem: hoch mit dem Radel auf den Rogers Pass: 1.330 Meter und eisige Kälte. Ich hatte leider auch einen extremen Trip, denn ich wollte uns einmal einen Tag gönnen, an dem wir nicht tanken müssen: die schönen Euros bzw. Dollar! Sparen an falscher Stelle ist aber immer eine schlechte Idee und diese schlechte Idee hat mich einige Nerven gekostet.

 

 

Munter fahre ich vor mich hin und schaue mir die Landschaft an. Spektakuläres Rocky Mountain Bergpanorama und wenn nicht noch die meisten Wanderpfade und Co. geschlossen wären, könnte man alleine nur auf dieser Strecke von Revelstoke nach Golden seinen Urlaub verbringen. Meine muntere Laune ist allerdings nur die Ruhe vor dem Sturm, denn schon die Schilder “Check your fuel! Next gas station in 150km”  am Ortsausgang von Revelstoke hinterlassen ein mulmiges Gefühl in mir. Irgendwann ist es dann auf einem knappen Drittel der Strecke so weit und die Reserveleuchte meldet sich. Die Kilometer gehen ins Land und unentspannterweise habe ich mir auch noch den Kilometerstand beim Aufleuchten gemerkt. Es wird knapp und es geht immer bergauf und -ab. Runter lasse ich mich rollen, rauf versuche ich so wenig hochtourig wie möglich zu fahren. In der Not wird alles personalisiert, mein Strickstrumpf-Pinguin-Maskottchen und das Womo, beide werden von mir vollgequatscht. Ich verspreche dem Womo, dass wenn es durchhält, ich es nicht wieder in so eine Situation bringen werde. Hinter mir bilden sich lange Schlangen, weil ich mittlerweile langsamer fahre. Ab und an fahre ich rechts ran und lasse mich überholen und entschuldige mich bei allen, denn je mehr schlechte Energie, desto schlechter die Perspektive eines Happy Ends. Endlich, das Navi vermeldet in 200 Metern ist das Ziel erreicht, doch NICHTS! Keine Tankstelle weit und breit. Hilfe! Auf einem Schild lese ich, dass es noch 13 Kilometer bis Golden sind. Meine eine Hand zerdrückt mein Pinguin-Maskottchen und mit der anderen Hand steuere ich das beinahe auf Grund gelaufene Womo. Mittlerweile schleiche ich mit Warnblinkern vor mich hin und die letzten Kilometer ziehen sich unendlich hin… Ich komme mir vor wie ein Verdurstender in der Wüste, dann taucht das Petro Canada Schild auf und ich bin gerettet, nach 55 Kilometer mit Reserveleuchte! DANKBAR und nie wieder! Ehrlich!

 

Heute sind Antonio und ich beide irgendwie auf Grund gelaufen, ich zum Glück nur fast und er ganz sicher. Die letzten fünf Tage ist er immer bis ans Limit gegangen und hat mehr Kilometer gemacht, als nötig. Kommt mir gerade irgendwie bekannt vor… Und so schließt sich der Kreis und dieser Tag.

2 thoughts on “Auf Grund gelaufen

  1. Meine Liebe MAY, es ist so schön immer von dir zu lesen. Es ist so, als wäre ich mit an Bord! Ich bin in Gedanken bei dir! :-*

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