Fuck it or love it !

Ganz entspannt lächel ich mir da selbst vom Foto zu, but FUCK IT!!! Fuck diesen fuck Wind, diese fucking Kälte, fuck diese endlosen Kilometer, dieses fucking enge und chaotische Zigeunerleben, fuck diese öde Landschaft und fuck Wind & Kälte gleich doppelt! So! Die Touretappe von Regina nach Winnipeg war vorsichtig formuliert, intensiv – emotional und körperlich einfach etwas zu sehr beanspruchend.

Der Song “Vivir sin aire” plärrt von meiner Maná-CD während ich verzweifelt versuche Kurs zu halten. Ja, ich würde gerne mit weniger Luft (aire) auskommen! Der Wind reist an meinem Lenker und mir stehen die Nackenhaare zu Berge. Der Lkw, der mich gerade überholt hat, wird vom Wind wie ein chinesischer Drache auf einer Parade über den Highway bewegt. Ich fahre jetzt schon am fünften toten Waschbären  vorbei und zur unpassenden Musik und dem infernalen Sturmgeheul gesellt sich auch noch das Gerumpel und Gescheppere der kaputten Straßen. All das trägt nicht gerade zu einem entspannten Fahrgefühl bei. Gggrrrrrr!!! Ich frage mich, ob ich meinem Pinguin-Maskottchen PingiPing die Flügel langziehen oder die Knopfaugen rausreißen soll oder vielleicht doch lieber rechts ranfahren und heulen – ich mag nicht mehr! Heulen ist bei mir allerdings eher nicht erste Wahl und schon gar nicht erste Hilfe, also PingiPing…

Doch bevor ich meine Gefühle an dem armen Strickwesen auslasse, stelle ich die Mukke leise und denke an Antonio, meinen knight on his bike! Okay, jetzt könnte ich wirklich heulen, der Arme! Der Wind bläst mit 40km/h eiskalt in sein Gesicht, stundenlang und ich jammere rum, weil mein Fahrzeug so schwer in der Spur zu halten ist! Pffffff!

Der letzte Morgen unserer 3. Etappe beginnt zum Gleich-Wieder-Einschlafen-Wollen. Der Wind lässt das Wohnmobil schwanken, es ist kalt und die Laune ist übel. Miserable Konditionen. Antonio aber,  ist der disziplinierteste und ernsthafte Mensch, den ich kenne: wenn er was sagt, dann zieht er das gnadenlos durch. Also zieht er auch diesem Morgen wieder seine Fahrradklamotten an und geht raus ins Inferno, um für die nächsten sechs Stunden mit sich und den Naturgewalten zu kämpfen. Leider ist die Landschaft seit Alberta  öde und es gibt nicht viel zu sehen, insbesondere in Saskatchewan. Nichts los da, nur ein weites Feld, Louise. Nach Brandon in Manitoba, fangen wenigstens schon mal wieder ein paar Bäume an zu wachsen und es wird etwas grüner.  Diese Etappe, Regina – Winnipeg, war die bisher härteste: windig, kalt und öde. Jetzt sind wir in Winnipeg und ich habe das Privileg in der Stadt mit dem komischen Namen meinen Geburtstag zu feiern. Obwohl ich vor zwei Jahren dachte: “Nett mal hier gewesen zu sein, aber wiederkommen werde ich bestimmt nicht.” und zack, da hat mir das Schicksal die Stadt gleich noch mal ein zweites Mal serviert. Der Name leitet sich übrigens von den indianischen Wörtern Win für schlammig und Nipee für Wasser ab. Schlammiges Wasser war auch bis vor einem Jahr noch dort, wo wir diese Tage unser Lager aufgeschlagen haben. Jetzt aber steht dort ein Walmart-Supercenter. Von dem vorherigen Feuchtgebiet ist nur noch ein Canada Goose Ganspärchen übriggeblieben, dass auf dem Parkplatz nistet. Die Leute haben die verwirrten Tiere mit Wasser und Körnern versorgt und wir haben jetzt Haustiere.

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Ende gut, alles gut. Bei uns ist Frieden und Ruhe eingekehrt. Antonio klimpert auf seiner Gitarre rum, die Finger kann er nach zahlreichen Akupunkturnadelstichen und der Einnahme homeopathischer Mittelchen schon besser bewegen, ich schreibe meinen Text, um uns rum leert sich langsam der Parkplatz und gleich werde ich den Kochlöffel schwingen. Nein, ich will heute nicht irgendwohin ausgehen oder sonst irgendwas unternehmen, um in meinen Geburtstag reinzufeiern, ich möchte genau hier sein, in unserem chaotischen Womo auf einem Walmartparkplatz in Winnipeg – I love it.

 

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